****** Der gute Bob Dylan hat in den 70er Jahre Alben von sehr unterschiedlicher Qualität aufgenommen: In der ersten Hälfte der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts waren seine Werke trotz gelegentlicher Highlights eher uninteressant, in der zweiten Hälfte dagegen grandios. Seine beiden Studioproduktionen aus dieser Zeit, Desire (1975) und Street Legal (1978) sind einfach grandios und gehören zum Besten, was der Meister je aufgenommen hat. Mit seinem 79er Werk Slow Train Coming konnte er aller Kritikerschelte zum Trotz den Standart dieser beiden Werke halten. Viele Kritiker rümpften die Nasen darüber, daß der Meister einen leichten Schwenk ins Religiöse getan hatte. Allein schon das Cover ist symbolträchtig: Die Spitzhacke des Gleisbauarbeiters auf der Frontseite des Covers und der Segelmast auf der Rückseite wirken wie christliche Symbole. Für viele Kritiker wirkte das Grund genug, Slow Train Running im Voraus in der Luft zu zerreißen, ohne vorher sich mit der Musik auseinandergesetzt zu haben. Und die ist wirklich gut. Mehr noch, gehört dieses Album doch zu seinen interessantesten Werken überhaupt. Was beim oberflächlichen Anhören eher langweilig klingt, ist bei intensiveren Anhören schlichtweg grandios. Und wie bei keinen zweiten seiner 70s Album klang Bob Dylan so auf der Höhe der Zeit wie auf Slow Train Coming. Was nicht zuletzt an Mark Knopfler liegt, der mit seinem Gitarrenspiel Akzente setzt. Einerseits klingt Slow Train Coming fast wie ein Dire Straits Album, andererseits wird offenbar, wo Mark Knopfer seine musikalische Inspirationen geschöpft hat. Das Album beginnt mit Gotta Serve Somebody, einem schleppenden Bluesrockverschnitt mit einem schweren Baß/Schlagzeug Teppich von Tim Drummond und Pick Withers. Hätte hier Mark Knopfler gesungen, könnte das Stück auch als Dire Straits Nummer durchgehen. Als Singleauskopplung war Gotta Serve Somebody im September/Oktober 1979 ein mittlerer Hit in den USA, Dylans erster Hit in den US-Charts seit knapp dreieinhalb Jahren (den letzten Hit hatte er im März/April 1976 mit Mozambique). Das Stück klingt im ersten Moment wenig spektakulär, ist aber ungemein eingängig und verbindet eigentlich alles, was einen guten Dylan Song ausmacht. Precious Angel packt gleich von Anfang an. Mark Knopflers Gitarre, das Keyboardspiel von Barry Beckett und die Bläsereinlagen der Muscle Shoals Horns verleihen dem Stück eine richtig schöne Atmosphäre. Vom Sound her ist Precious Angel genau das, was die Dire Straits etwa auf ihrem prachtvollen Album Making Movies von 1980 gespielt haben. Das sanfte I Believe In You zwingt geradezu zum Zuhören. Hätte Bob Dylan nicht eine so quengelige Stimme, so wäre I Belive In You eine kleine aber sehr feine Perle in seinem Gesamtwerk. Aber auch so ist dieses Lied einfach grandios. Einmal mehr nach Dire Straits klingt Slow Train, ein schleppender Song, der einfach grandios ist. Gonna Change My Way Of Thinking ist schwitziger, leicht schleppender Rocker mit Southern-Rock Einlagen. Das Stück klingt wie eine Lightversion von Lynyrd Skynyrd in Hochform. Dylan an Eric Clapton erinnerndes Gitarrenspiel und die mächtigen Bläsereinlagen der Muscle Horn Shoals verpassen dem Stück den nötigen Druck. Do Right To Me Baby (Do Unto Others) klingt dagegen unspektakulär, weiß aber durch das entspannte Spiel der Musiker zu überzeugen. Das gleiche gilt auch für When You Gonna Wake Up. Unspektakulär aber ungemein packend ist Man Gave Names To All The Animals. Das Stück brilliert durch eine eher schlichte Melodieführung und einem unglaublich prägnanten Refrain mit einem tollen Backgroundchor bestehend aus Regina Havis, Helena Springs und Carolyn Dennis. Fast andächtig ist der grandiose Schlußsong When He Return. Das nur von einem Piano begleitete Lied gehört schlichtweg zu den besten Liedern, die Bob Dylan je geschrieben hat. Hätte der gute Bob Dylan nur eine bessere Stimme. Wie dem auch sei, über solche kleinen Unzulänglichkeiten sieht man gerne einmal hinweg. Hätten Manfred Manns Earth Band oder The Hollies diese grandiose Nummer einmal (erfolgreich) gecovert, When He Return wäre heute mit Sicherheit eine der herausragenden Nummern von Bob Dylan. So aber fristet dieses Lied eher ein Schattendasein im Dunkeln seines Schaffens und ist eine Glanznummer, die erst noch entdeckt werden muß. Wie überhaupt dieses grandiose Album erst noch entdeckt werden muß. Wer Bob Dylan einmal kennenlernen möchte, der sollte das nicht mit Slow Train Coming machen, denn es könnte für den Neuling recht enttäuschend sein. Dieses Album ist für Hard-Core Dylan Fans geeignet und diejenigen, die gute amerikanische Musik der ausgehenden 70er Jahre zu schätzen wissen. |